Ferdinand Wittenbauer

Porträt von Ferdinand Wittenbauer

Ferdinand Wittenbauer (* 18. Februar 1857 in Marburg an der Drau; † 16. Februar 1922 in Graz, Österreich) war ein österreichischer Techniker und Mitbegründer der grafischen Dynamik, die ein Teilgebiet der Technischen Mechanik ist. Ab 1877 wirkte er als Professor an der Technischen Hochschule Graz. Er trat auch als Lyriker und Dramatiker hervor.

Leben

Ferdinand Wittenbauer wurde am 18. Februar 1857 in Marburg an der Drau, heute Maribor/Slowenien, geboren. Er besuchte die Realschule in Graz, maturierte dort und absolvierte im Anschluss die Ingenieurschule an der Technischen Hochschule in Graz. Er war 1876 bis 1879 Mitglied der Akademischen Burschenschaft Allemannia Graz. Bereits 1880 habilitierte er sich im Fach Theoretische Mechanik. Trotz verlockender Angebote kehrte er nach einer einjährigen Studienreise durch Deutschland im Jahr 1884 nach Graz zurück, um bis an sein Lebensende an der "Maschinenbauschule" – der heutigen Fakultät für Maschinenbau – zu wirken.

Werk

Ferdinand Wittenbauer beim Wandern

Wittenbauers frühe wissenschaftliche Abhandlungen sind dem Gebiet der kinematischen Geometrie zuzurechnen. Diese Disziplin widmet sich den Beziehungen, die zwischen den Geschwindigkeiten und Beschleunigungen der verschiedenen Punkte einer ebenbewegten Ebene in einer momentanen Lage bestehen. Das wissenschaftliche Verdienst Wittenbauers war es, die graphischen Methoden der kinematischen Geometrie beispielgebend auch für die Dynamik nutzbar zu machen. Seine ab 1904 erscheinenden Abhandlungen sind sämtlich Vorarbeiten für sein groß angelegtes Werk über „Graphische Dynamik“, das er kurz vor seinem Tod fertigstellen konnte. Das letzte Kapitel des Buches ist der Ermittlung der Schwungradberechnung vorbehalten, Wittenbauers wichtigstem Beitrag zur Getriebetechnik.

Schon lange vor Erscheinen seines Hauptwerkes genoss Wittenbauer als Entdecker einer Methode zur graphischen Ermittlung des Schwungradgewichtes internationales Ansehen. Zudem hatte er sich mit einer dreibändigen Sammlung von „Aufgaben aus der technischen Mechanik“ einen Namen gemacht. Dieses 1911 abgeschlossene Werk war lange Zeit die wichtigste deutschsprachige Aufgabensammlung auf dem Gebiet der Mechanik. Sie wurde mehrfach in fremde Sprachen übersetzt. Noch 1965 wurde eine Ausgabe in Spanisch vorgelegt.

Der Zahn der Zeit ging jedoch an Wittenbauers Erkenntnissen nicht vorüber. Leistungsfähige Rechenprogramme zur Simulation der Bewegung hochkomplexer Strukturen haben die Methoden der graphischen Dynamik schnell ins Abseits gedrängt. Ebenso geriet Wittenbauers dichterisches Werk bald nach seinem Tod in Vergessenheit.

Zwei Stücke, "Filia hospitalis" (1902)[1] und "Der Privatdozent" (1906)[2], wurden zu Beginn des Jahrhunderts auf deutschsprachigen Bühnen gerne aufgeführt. Wittenbauer reflektierte darin politische, kulturelle und soziale Komponenten im damaligen Hochschul- und Studentenleben. In "Filia hospitalis" wird der Konflikt zwischen verschiedenen Studentenverbindungen dramatisiert. Im "Privatdozenten" steht mit der Nachbesetzung einer Universitätslehrkanzel das akademische Leben selbst im Mittelpunkt der Handlung. In seinen dramatischen Werken wie auch in seiner Lyrik und Prosa kommt Wittenbauers deutschnationale Gesinnung zum Ausdruck. Verbrämt wird sie mit einem in der damaligen Zeit ebenfalls gängigen sentimentalen Blick auf die deutsche Vergangenheit.

Bei aller Kritik, die aus der zeitlich Entfernung oft leichtfertig angebracht werden kann, muss gewürdigt werden, dass die Technik in Graz mit Ferdinand Wittenbauer einen hervorragenden Forscher besaß, der als Lehrer etliche Generationen von Mechanik-Studenten beeinflusste und darüber hinaus in seinem Schaffen stets dafür eintrat, die manchmal viel zu starren Grenzen zwischen technischer und künstlerischer Kreativität zu überwinden.

Das von ihm entdeckte und nach ihm benannte Wittenbauer-Parallelogramm ermöglicht die einfache Berechnung des Flächenschwerpunktes eines beliebigen Vierecks. Es gilt der folgende Satz: „Der Flächenschwerpunkt des Wittenbauer-Parallelogramms ist zugleich Flächenschwerpunkt des dazugehörigen Vierecks.“

Ferdinand Wittenbauer starb am 16. Februar 1922 in Graz (Steiermark) an den Folgen eines Schlaganfalles.

Belege

  1. Leserbrief Ferdinand Wittenbauers über die bevorstehende Inszenierung in: Neues Wiener Tagblatt, 40 (1906) #33, 13. (2. Februar 1906)
  2. Rezension der Aufführung im Deutschen Volkstheater durch H. B. [=Hermann Bahr]: Theater, Kunst und Literatur. Deutsches Volkstheater. Neues Wiener Tagblatt, 40 (1906) #5, 13. (6. Januar 1906) Die Buchausgabe bei Konegen angezeigt: Neues Wiener Tagblatt, 40 (1906) #117, 36. (29. April 1906)

Literatur

  • Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band II: Künstler. Winter, Heidelberg 2018, ISBN 978-3-8253-6813-5, S. 728–729.
  • Aufgaben aus der Technischen Mechanik, III Bände, 1907–1911
  • Grafische Dynamik, 1923
  • Emil Leimdörfer, Ferdinand Wittenbauer : ein Neu-Romantiker aus Österreich. Wien : C. Konegen, 1904

Bestand in den Katalogen der Österreichischen Nationalbibliothek Wien:
http://data.onb.ac.at/rec/AL00006994

  • Literatur von und über Ferdinand Wittenbauer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • www.uni-flensburg.de/.../wittenbauer-parallelogramm.html
  • www.uni-flensburg.de/.../schwerpunkte.html
Professuren an der Fakultät für Maschinenbau und Wirtschaftswissenschaften an der Technischen Universität Graz

1. Institut für Mechanik: Josef von Aschauer (1827–1843) | Wilhelm von Engerth (1844–1850) | Josef Klotz (1852–1861) | Vinzenz Hausmann (1963–1865) | Ferdinand Lippich (1865–1873) | Franz Stark (1873–1886) | Ferdinand Wittenbauer (1887–1922) | Karl Federhofer (1923–1956) | Alexander Kromm (1957–1975) | Karl Wohlhart (1975–1996) | Andrés Kecskeméthy (1996–2002) | Walter Sextro (2004–2009) | Katrin Ellermann (seit 2010)

2. Institut für Wärmetechnik: Franz Hlawatschek (1865–1902) | Ernest Bendl (1903–1922) | Robert Engel (1924–1949) | Paul Gilli (1949–1966) | Paul Victor Gilli (1969–1994) | Beate Reetz (1996–2004) | Jürgen Karl (2007–2011) | Christoph Hochenauer (seit 2012) | Robert Scharler (2015–2018)

3. Institut für Werkstoffkunde, Fügetechnik und Umformtechnik: Rudolf Kulmer (1869–1894) | Maximilian Kraft (1894–1904) | Heinrich Krausz (1904–1915) | Alfons Leon (1918–1934) | Adolf Härtel (1934–1845) | Adolf Slattenschek (1949–1953) | Carl Englisch (1954–1955) | Robert Musyl (1956–1964) | Theodor Povse (1965–1981) | Horst-Hannes Cerjak (1982–2008) | Ralf Kolleck (2004–2016) | Christoph Sommitsch (seit 2009) | Bernhard Sonderegger (2015–2020) | Sergio Amancio-Filho (seit 2018)

4. Institut für Maschinenelemente und Entwicklungsmethodik: Josef Bartl (1882–1887) | Rupert Böck (1887–1890) | Josef Bartl (1890–1913) | Wilhelm Heyn (1918–1941) | Arpad Steller (1941–1965) | Waldemar Jud (1966–1996) | Gunter Jürgens (1996–2013) | Hannes Hick (seit 2015)

5. Institut für Hydraulische Strömungsmaschinen: Robert Honold (1916–1927) | Robert Thomann (1928–1941) | Karl Lindner (1941–1945) | Egon Niedermayer (1947–1969) | Gerhard Ziegler (1970–1993) | Helmut Jaberg (1995–2021) | Peter Meusburger (seit 2021)

6. Institut für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme: Julius Magg (1921–1931) | Hans List (1933–1941) | Anton Pischinger (1943–1977) | Rudolf Pischinger (1970–2004) | Erich Huttmann (1978–1998) | Karl Pucher (1980–2001) | Günter Kraßnig (1981–2002) | Gerhard Taucar (1981–2002) | Wolfgang Hirschberg (2003) | Helmut Eichlseder (seit 2004)

7. Institut für Fertigungstechnik: Adolf Härtel (1931–1945) | Robert Musyl (1964–1975) | Hans Georg Wiebach (1978–1989) | Adolf Frank (1980–2006) | Franz Haas (seit 2013) | Rudolf Pichler (2015–2018)

8. Institut für Festigkeitslehre: Josef Pirkl (1935–1945) | Ernst Tschech (1948–1979) | Christian Celigoj (1985–2014) | Thomas Hochrainer (seit 2017)

9. Institut für Strömungslehre und Wärmeübertragung: Hans Lechner (1944–1973) | Walter Gretler (1968–1996) | Uwe Schaflinger (1998–2000) | Günter Brenn (seit 2003)

10. Institut für Betriebswirtschaftslehre und Betriebssoziologie: Max Pietsch (1955–1973) | Walter Veit (1974–1996) | Ulrich Bauer (seit 1997)

11. Institut für Thermische Turbomaschinen und Maschinendynamik: Franz Mramor (1965–1968) | Herbert Jericha (1970–2000) | Günther Zhuber-Okrog (1978–1993) | Franz Heitmeir (2002–2023) | Robert Krewinkel (seit 2023)

12. Institut für Technische Logistik: Kurt Bauer (1967–1984) | Jörg Oser (1985–2008) | Dirk Jodin (2009–2017) | Domenik Kaever (seit 2023)

13. Institut für Innovation und Industrie Management: Hans H. Hinterhuber (1970–1974) | Josef Wohinz (1979–2011) | Christian Ramsauer (seit 2011)

14. Institut für Unternehmungsführung und Organisation: Reinhard Haberfellner (1979–2010) | Stefan Vorbach (seit 2011)

15. Institut für Fahrzeugsicherheit: Hermann Steffan (seit 2004)

16. Institut für Fahrzeugtechnik: Wolfgang Hirschberg (2004–2011) | Peter Fischer (seit 2013)

17. Institut für Maschinenbau- und Betriebsinformatik: Siegfried Vössner (seit 2003)

18. Institut für Betriebsfestigkeit und Schienenfahrzeugtechnik: Martin Leitner (seit 2021)

Normdaten (Person): GND: 119138476 (lobid, OGND, AKS) | LCCN: ns2014003705 | VIAF: 42641528 | Wikipedia-Personensuche
Personendaten
NAME Wittenbauer, Ferdinand
KURZBESCHREIBUNG österreichischer Techniker und Schriftsteller
GEBURTSDATUM 18. Februar 1857
GEBURTSORT Maribor
STERBEDATUM 16. Februar 1922
STERBEORT Graz