Gleichnis vom Senfkorn

Radierung von Jan Luyken aus der Bowyer Bible zum Gleichnis vom Senfkorn.

Das von Jesus von Nazaret erzählte Gleichnis vom Senfkorn wird in den Evangelien im Neuen Testament nach Matthäus (Mt 13,31–32 EU), Lukas (Lk 13,18–19 EU) sowie Markus (Mk 4,30–32 EU) überliefert. In den Evangelien nach Matthäus und Lukas folgt direkt danach das Gleichnis vom Sauerteig, das ebenfalls das große Wachstum aus kleinen Anfängen als Thema hat. Eine Variante dieses Gleichnisses ist auch im nichtkanonischen Thomasevangelium in Logion 20 zu finden.

Inhalt

Jesus sagt, mit dem Himmelreich sei es wie mit einem Senfkorn, das ein Mann auf seinen Acker säe. Obwohl es das kleinste von allen Samenkörnern sei, wachse es zu einem Baum heran, der alle anderen Gewächse überrage und in dessen Zweige sich die Vögel des Himmels niederlassen könnten. Dabei erscheine das Reich Gottes zunächst unscheinbar, klein und unbedeutend, jedoch würde es immer weiter wachsen, bis es omniversell übergreifend und nicht übersehbar ist.

Deutung

Schwarze Senfkörner (Brassica nigra)

Obwohl keineswegs alle Senfsorten besonders kleine Samen hervorbringen, gilt das Senfkorn sowohl in der westlichen Kultur als auch in der asiatischen[1] als Metapher für etwas sehr Kleines. Man geht heute davon aus, dass es sich bei dem in diesem Gleichnis genannten Senfkorn um die Samen des Schwarzen Senfs handelt.[2][3]

Der methodistische Theologe Ian Howard Marshall schreibt, das Gleichnis deute das Wachstum des Reichs Gottes von kleinen Beginnen zu weltweiter Größe an.[3] Der evangelikale Ben Witherington merkt an, Jesus habe dieses Gleichnis gewählt, um seinen Zuhörern klarzumachen, dass das Reich Gottes, so wie er es predige, während seines Lebens noch klein wie das Senfkorn sei, aber wie der Baum zukünftig groß und fest verwurzelt sein werde.[4] Witherington weist außerdem darauf hin, dass damit auch angedeutet werde, dass manche unter den schattenspendenden Baum kommen würden, andere ihn aber als unausstehlich ansehen und versuchen würden ihn zu entwurzeln.[4] Dazu passt die Deutung des US-Theologen Shane Claiborne, demzufolge der Vergleichsgegenstand des Senfkorns nicht die Kleinheit des Samens und die Größe der Pflanze sei, sondern die schnelle Ausbreitung des Reichs Gottes.[5]

Wirkung

In Bezugnahme auf dieses Gleichnis werden kleine Bibeln als Senfkornbibel bezeichnet. Einige christliche Initiativen tragen den lateinischen oder deutschen Begriff des Senfkorns in ihrem Namen, wie beispielsweise der Senfkorn-Orden.[6] Ein berühmtes volkssprachiges, mystisches Gedicht oder sogar ein Liedtext, welches/welcher in mehreren Handschriften des 14. und 15. Jahrhunderts überliefert wurde, erhielt seinen Titel Granum sinapis[7] durch einen lateinischen Kommentar, der dem Theologen Meister Eckhart zugeschrieben wird.[8]

Siehe auch

Literatur

  • Joachim Jeremias: Die Gleichnisse Jesu (= Kleine Vandenhoeck-Reihe. Band 1500). Kurzausgabe. 9. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1984, ISBN 3-525-33498-2.
  • Luise Schottroff: Die Gleichnisse Jesu. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2005, ISBN 3-579-05200-4.

Weblinks

Commons: Gleichnis vom Senfkorn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Bernhard Peter: Opiumgewichte aus Birma, 2004&2005, Abruf: 23. April 2009.
  2. L. Wehr: Senfkorn. In: Manfred Görg, Bernhard Lang (Hrsg.): Neues Bibel-Lexikon. Band III. Benziger-Verlag, Düsseldorf/Zürich 1998, ISBN 3-545-23074-0, Sp. 570. 
  3. a b I. Howard Marshall, The Gospel of Luke: A commentary on the Greek text, Eerdmans, 1978, ISBN 0-8028-3512-0, S. 561.
  4. a b Ben Witherington, The Gospel of Mark: A socio-rhetorical commentary, Eerdmans, 2001, ISBN 0-8028-4503-7, S. 171–172.
  5. Shane Claiborne, The Irresistible Revolution: Living As an Ordinary Radical.
  6. Senfkorn-Orden. In: Heinrich August Pierer, Julius Löbe (Hrsg.): Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit. 4. Auflage. Band 15: Säugethiere–Sicilicus. Altenburg 1862, S. 843 (zeno.org). 
  7. Granum sinapis auf eckhart.de.
  8. Paul Hirtz: „Unsagbar ist das Göttliche“ – mystisches ‚Sprechen‘ von Gott, Kurshalbjahr 11.2, Lehrplankommission Katholische Religion G8 im Saarland (Hrsg.), 7. November 2009.
Normdaten (Werk): GND: 4203336-6 (lobid, OGND, AKS)

Gleichnisse in den synoptischen Evangelien:
Gleichnisse im engeren Sinn: Großes Abendmahl | Arbeiter im Weinberg | Bittender Freund | Blindensturz | Dieb in der Nacht | Ehrenplätze bei der Hochzeit | Feigenbaum | Feigenbaum ohne Früchte | Fischnetz | Haus auf Felsen und auf Sand gebaut | Herr und Knecht | Kluge und törichte Jungfrauen | Kostbare Perle | Licht unter dem Scheffel | Nadelöhr und Kamel | Neue Flicken auf dem alten Kleid | Neuer Wein in alten Schläuchen | Selbstwachsende Saat | Schatz im Acker | Pharisäer und Zöllner | Reicher Kornbauer | Spielende Kinder | Anvertraute Talente | Treuer Haushalter | Ungleiche Söhne | Ungerechter Richter | Ungerechter Haushalter | Unkraut unter dem Weizen | Böse Weingärtner | Sauerteig | Schalksknecht | Senfkorn | Turmbau und Kriegführen | Verlorener Groschen | Verlorenes Schaf | Verlorener Sohn | Vierfaches Ackerfeld | Wachsame Knechte | Zwei Schuldner
Weitere Bildreden und Beispielerzählungen: Barmherziger Samariter | Henne und Küken | Reicher Mann und armer Lazarus | Salz der Erde | Weltgericht

Bildreden bei Johannes:
Ich-bin-Worte: Ich bin das Brot des Lebens | Ich bin das Licht der Welt | Ich bin die Tür | Ich bin der gute Hirte | Ich bin die Auferstehung und das Leben | Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben | Ich bin der wahre Weinstock
Weitere Bildreden: Vom Weizenkorn | Die gebärende Frau